Mediterranes Deutschland (29. Juni 2019)

Natürlich ist es einem etwas mulmig, wenn in Deutschland Ende Juni Temperaturen erreicht werden, die nur noch knapp unter 40°C liegen... Und an einem solchen Tag fragt man sich auch, ob es so eine gute Idee ist, zum Fotografieren an den Kaiserstuhl zu fahren, den bekanntermaßen wärmsten Ort Deutschlands. Aber dann nähert sich der Abend, die Temperatur sinkt Grad um Grad, die Sonne ebenfalls... - und die Vorfreude steigt auf den schon seit Monaten verabredeten Foto-Spaziergang. Und wenn man dann zum Treffpunkt auf dem Vogelsangpass kommt, und es erwarten einen gleich sieben erwartungsvolle Foto-Enthusiast*innen mit ihren Kameraausrüstungen - dann weiß man, dass doch alles nach Plan läuft, und man freut sich einfach nur noch auf den bevorstehenden Abend, der mediterraner gar nicht sein könnte (nur eben ohne Meer).

So geschehen am Samstag der vergangenen Woche. Es folgt nun ein kurzer Bericht dieses prächtigen Abends mit seiner wunderbaren Sommerstimmung, den Blumen und Insekten, zirpenden Grillen und Heuschrecken, der satten Sonne - und natürlich jeder Menge Fotografie!


Ja, und hier sieht man auch schon, womit wir die drei Stunden Foto-Spaziergang im Wesentlichen gefüllt haben. Ich kann mir wirklich kaum einen schönen Ort vorstellen, um das Schauspiel der untergehenden Sonne zu bewundern (und zu fotografieren), die vielfältigen Motive entlang des Weges (wir sind im Naturschutzgebiet!) und überhaupt die gesamte Atmosphäre hier im inneren Kaiserstuhl mit Blick auf Wiesen, Reben, Hügel und die nahen Vogesen. Und ich hatte doch ganz stark den Eindruck, dass nicht nur ich diesen Abend so genussvoll wahrgenommen habe.

Aber wir haben uns natürlich auch über Einzelheiten der Fotografie ausgetauscht und verschiedene technische Aspekte erörtert. Nicht so sehr um der Technik willen (das ist dann was für Freaks), sondern weil wir uns die technischen Möglichkeiten einer Kamera zunutze machen wollen, um mit unseren Fotos eine bestimmte Stimmung einzufangen und zu transportieren.

Ein Beispiel gefällig? Also gut, gerne.

Ein ganz wesentlicher Aspekt des Fotografierens mit komplexeren Kameras (also solchen, die es mir erlauben, jenseits der Vollautomatik bestimmte Einstellungen manuell vorzunehmen) ist die Regulierung der Schärfentiefe mittels der Einstellung der Blendenöffnung. Grundsätzlich ist die Schärfentiefe eines Fotos abhängig von der jeweiligen Brennweite, dem Abstand zwischen Motiv und Kamera, der Sensorgröße und eben der Blendenöffnung. Wie wichtig gerade die letzte Variable ist, zeigen die folgenden drei Aufnahmen. Sie sind alle mit derselben Kamera vom Stativ aus gemacht, die Brennweite blieb immer gleich (105mm vor einem Vollformat-Sensor), und auch die Fokussierung (manuell eingestellt) wurde nicht geändert. Variiert wurde also lediglich die Blendeneinstellung.

Bild Nr. 1:


Hier habe ich mit Blende f20 absichtlich eine kleine Blendenöffnung gewählt, um die Schärfentiefe (also die Ausdehnung der Schärfeebene nach vorne und hinten) zu maximieren. Aufgrund der mit 105mm recht hohen Brennweite (leichtes Tele) und dem geringen Abstand zu den vorderen Blüten ist die Schärfentiefe gar nicht mal so ausgeprägt. Aber so in etwa sähe z.B. ein mit einem normalen Handy oder einer Kompaktkamera geschossenes Bild aus: Es ist recht viel "drauf", d.h. viele einzelne Strukturen werden vom Auge wahrgenommen, wodurch das Foto recht unruhig und chaotisch wirkt. Irgendwie weiß man nicht genau, wo man hinschauen soll, das Auge springt hin und her. Insgesamt ungünstig, denke ich!

Es folgt Bild Nr. 2:


Hier habe ich die Blende auf f7,1 deutlich geöffnet. Mal abgesehen davon, dass sich die Abbildungsleistung der meisten Objektive in diesem Bereich verbessert, wird der optische Effekt sofort deutlich, oder? Die Schärfeebene hat sich deutlich reduziert, mit Ausnahme der scharfen Blüten im Vordergrund sind die übrigen jetzt deutlich weniger prägnant und somit "herabgestuft". Das Auge weiß sofort, wo es als erstes hinschauen soll, und was die wesentlichen Bestandteile des Bildausschnitts sind. Hier kann man auf jeden Fall schon von selektiver Schärfe sprechen, und die tut m.E. vielen Bildern sehr gut. Ich sehe hier eine deutliche Verbesserung gegenüber Bild Nr. 1. Aber es lässt sich noch steigern!

Bild Nr. 3:


Mein verwendetes Objektiv (ein 24-105mm Standardzoom, das ich als "Immerdrauf" verwende) bietet f4,0 als maximale Blende. Diese habe ich beim letzten Foto dieser Serie eingestellt. Und siehe da: Die Schärfentiefe ist noch weiter reduziert, die Dominanz der Blüte im Vordergrund ist noch eindeutiger, und die übrigen Blüten und sonstigen Bildelemente sind auf bloße verschwommene Farbtupfer reduziert, die eigentlich kaum noch gegenständlich sind. Hier ist die selektive Schärfe sehr ausgeprägt, der Rest ist unscharfer Hintergrund ("Bokeh").

Eine Bewertung dieser drei Varianten ist jetzt natürlich abhängig vom persönlichen Geschmack. Ich würde jedoch behaupten, dass die Bilder Nr. 2 und 3 wesentlich aussagekräftiger und ästhetisch ansprechender sind, und dass ihre Wirkung auf den Betrachter oder die Betrachterin sicher stärker ist als bei Bild Nr. 1.

Wie bei allen technischen Aspekten der Fotografie und der Kameras geht es m.E. darum, dass man die Möglichkeiten der Technik kennen sollte und zudem ihre Konsequenzen auf das konkrete Foto und seine Wirkung. Der Rest ist Kreativität und individuelle Vorliebe!

Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieses wunderbaren Abends am Kaiserstuhl danke ich für ihr Interesse, ihren Enthusiasmus und die vielen Fragen und eigenen Beiträge. Ich habe in der Zwischenzeit schon eine ganze Reihe von Fotos zugeschickt bekommen, die ich als nächstes hier ebenfalls veröffentlichen werde.

Für dieses Jahr gibt es übrigens noch je einen Termin für einen Foto-Spaziergang am Feldberg und am Belchen, beide Ende Juli. Im Herbst (19./20. Oktober) wird es dann einen Workshop im Feldberggebiet geben. Ich habe sämtliche Daten mal auf dieser Seite hier aufgelistet. Interessent*innen können sich jederzeit gerne bei mir melden!

7. Juli, Sebastian Schröder-Esch (www.schroeder-esch.de)

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